1 Jahr warten bis zum Führerausweis: Notwendig oder Schikane?
17-Jährige dürfen in der Schweiz seit 2021 zwar ans Steuer, müssen aber erst ein Jahr Fahrpraxis sammeln, bevor sie die Autoprüfung machen können. Die gleiche Regelung gilt auch für 18- bis 20-Jährige. Eine Motion im Parlament will diese Regelung nun wieder ändern. Bringt die einjährige Wartefrist den gewünschten Nutzen oder ist sie reine Schikane? Wir fragten Tobias Blättler, Inhaber der Aarefahrschule.
Wer den Lernfahrausweis vor dem 20. Lebensjahr erwirbt, muss eine 12-monatige Lernphase durchlaufen. Was bringt diese Regelung?
Das Bundesamt für Strasse (Astra) begründet die geltende Regelung damit, dass die Verkehrssicherheit erhöht wird, weil das Unfallrisiko sinkt, da in dieser Jahresfrist mehr begleitete Lernfahrten stattfinden.
Funktioniert die Theorie auch in der Praxis? Machen deine Fahrschülerinnen und Fahrschüler mehr Lernfahrten?
Nein, ich beobachte eher die Tendenz, dass der Beginn der eigentlichen Lernphase immer wieder unterbrochen wird. Ich habe selten erlebt, dass einer meiner Schülerinnen und Schüler ein ganzes Jahr durchgefahren ist. Sie besuchen ein paar Fahrstunden und üben dann längere Zeit nur privat. Viele üben in dieser Zeit nicht, weil ihnen privat die Übungsmöglichkeiten fehlen. So schleichen sich Automatismen und Fehler ein, die teils nur mit grossem Aufwand korrigiert werden können. Das Gesetz trägt also kaum mehr Fahrpraxis bei – ob bei mir in der Fahrschule oder privat.
Also befürwortest du, dass die Gesetzgebung wieder angepasst wird?
Die einjährige Wartefrist für 17-Jährige finde ich gut – auch, da diese sowieso nicht vor dem 18. Geburtstag zur Prüfung zugelassen sind. Bei den 18- bis 20-Jährigen bin ich mir aber nicht sicher, ob die Wartefrist den gewünschten Effekt bringt und das Unfallrisiko gesenkt werden kann. Zurzeit wird die einjährige Lernphase im Auftrag des Bundesrats evaluiert. Ob also eine Gesetzesrevision angebracht ist oder nicht, lässt sich erst nach Bekanntgabe dieser Auswertung sagen. Ich jedenfalls motiviere meine Schülerinnen und Schüler immer wieder, möglichst viel Fahrpraxis zu sammeln und somit auch privat zu fahren.